Hochheben = Verhätscheln?

Ich muss das nun einfach zwischen meine unzähligen, vorbereiteten Einträge schieben, weil ich immer weider lesen muss, wie manch „verhätschelter Hund“ und „Kinderersatz“ ja das Pöbeln nur lernte, wenn man ihn hochheben würde.

Wer kennt das nicht?
Oftmals Frauen heben ihre kleinen, bellenden Hunde – manch einer nennt sie liebevoll „Kläffer“ und „Fußhupen“ – hoch, sobald ein anderer Hund in die Nähe kommt.
Sofort hört man den Hundehalter des anderen Hundes belehrend sagen, murmeln oder gar meckern, dass dies wieder typisch für die „ganzen unerzogenen Kleinhunde“ sei.

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[Wird er nun sich in seinem Rang erhöht fühlen?]

Nun, zu erst einmal ganz nüchtern betrachtet, ist es einfacher einen kleinen, leichten Hund hochzuheben, als einen 45-kg-Kaventsmann, den man kräftemäßig kaum von Boden bekommt. Auch ist es einleuchtend, dass sich ein Hund ab einem bestimmten Stockmaß rein körperlich besser wehren könnte, als ein Hund, der kleiner ist als so manche Katze.
Ich bin zwar dafür, dass auch Kleinhunde als vollwertige Hunde gesehen werden mit all den Bedürfnissen, die auch große Hunde haben, dennoch sieht die Welt für so einen Zwerg einfach anders aus.
Sie müssen bei den meisten Dingen in ihrem Leben hochschauen. Für einen Hund, der unterhalb von einem halben Meter Stockmaß ist, sind alleine schon Fußgängerzonen perspektivisch gruseliger als für einen Hund, der darüber reicht. Wie bedrohlich muss eine Menschenansammlung auf Hunde wirken, die nur halb so groß wie Katzen sind?
Selbiges gilt für Hundebegegnungen. Wenn da ein klischeemäßig gut beleibter Trampel-Labbi angaloppiert kommt, der ja „nix tut“, wird das ein einigermaßen souveräner Hund in einer vergleichbaren Größe weniger Furcht erregend finden, als ein Chihuahua. Woher soll dieser denn wissen, dass das Antrampeln nett gemeint ist, so ganz ohne höfliche Annäherung des Fiddle-About-Hörtnix?
Warum soll es nicht legitim sein, dass

  • der Kleinhund (oder auch der große Wauz) bellt, knurrt, schreit
  • der Halter seinen Hund im Kleinformat beschützt, indem er ihn hochhebt und sich mit ihm abwendet
  • der Hund aus dem Kontakt hochgehoben wird, wenn man zuerst ihn erlaubt hat, der Hund aber doch überfordert ist, bspw. wenn er zum „Spielen“ gedrängt wird?

Überhaupt hat ein durchdachtes Hochheben überhaupt nichts mit Verhätscheln zu tun.
Natürlich könnte nun eingeworfen werden, dass sich der Hund im wahrsten Sinne des Wortes „überhöht“ vorkommt und nun ganz den Dicken markiert.
Mag auch so aussehen, stammt aber immer noch aus der Zeit und den Kreisen, in denen Hunde irgendwelchen Weltherrschaftsfantasien unterstellt wurde, die an jeder Ecke irgendwie respektlos sein sollen und im Rang aufsteigen wollen.

Objektiv gesehen ist es ganz einfach:
Der Hund möchte den unangenehmen Kontakt immer noch vertreiben, auch auf dem Arm des Halters. Das ist dem Erregungsniveau geschuldet, in dem sich der Hund nach wie vor befindet. Erst beim Weggehen beruhigt sich der Kleine langsam. Das Bedürfnis des Hundes ist also nicht, sich aufzuspielen und zu „pöbeln“, sondern um sich die Gefahr vom Leib zu halten.

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[Die machen das schon unter sich aus! Wäre der Hund rechts nicht lieber auf dem Arm stattdessen?]

Es ist für den anderen Hundehalter doch völlig irrelevant, was der „verhätschelnde Besitzer“ des Kleinhundes mit seinem Hund anstellt! Wieso interessiert es diese Leute, ob der Zwerg nun „noch mehr pöbeln wird“?
Meine persönliche Erfahrung ist immer wieder, dass die Halter des großen Hundes nur schimpfen, weil ihr eigener Hund, der ja ansonsten so genial im Gehorsam steht (durch richtig tolle Rudelführermethoden), abdreht wie ein Berseker, weil er eben noch nicht gelernt hat, adäquat mit dem Reiz umzugehen. Es ist jedes Mal wieder entlarvend, wie schnell so eine Hemmung ins Wanken gerät, sobald der ins Meideverhalten gedrängte Untertan mit unbekannten Situationen konfrontiert wird.
Wenn also der eigene Hund nicht ausrastet, sondern auch dann völlig ruhig bleibt, was kümmert es mich, ob das Hundegegenüber hochgenommen wird und vom Arm kläfft?
Ja, richtig, es kümmert mich überhaupt nicht. Genauso wenig kümmert es mich als Mensch, ob mein Gegenüber Kleidung anhat, die mir nicht gefällt. Es tangiert mich nicht. Selbst wenn mein Hund auf das Hochheben des anderen reagieren würde, wäre es alleinig mein Problem, meinem Hund beizubringen, dass dies keine große Sache ist. So wie ich ihnen auch beibringe, dass Tutnixe, die in uns hineinknallen mit Nichtbeachtung gestraft werden und wir von dannen ziehen. Konsequent!

Übrigens hebe ich meine Shibas manchmal noch heute hoch; das ist der Luxus, den ich mir mit Hunden gönne, die zwar kein Miniformat haben, aber auch keine Kaventsmänner sind. Ich tue das in beengten Situationen, in denen ich weiß, dass Akuma sie nicht so gut beherrscht. Ich nehme ihn hoch und drehe ihn vom Auslöser weg – ich lasse den Menschen die Zeit mit ihren Hunden vorbeizugehen. Weder lernt Akuma mit der Situation besser umzugehen, noch fühlt er sich nun „stärker und pöbelt noch mehr“ (Das Gegenteil ist der Fall, diese Notfalltechnik hat bewirkt, dass er auf dem Arm ruhig ist oder maximal leise vor sich hinbrummt statt richtig loszulegen!). Er hat aber gelernt, dass er nicht mehr ausrasten muss, dass wir für jede Situation eine Lösung parat haben.
Dieses Vorgehen macht hier Schule. Nicht nur beobachte ich den vermehrten Einsatz von Leckerlis bei Hundebegegnungen, sondern auch ein Hochnehmen im Zweifelsfall, das Stress vermeidet, was vorher scheinbar eine Todsünde war.

Manchmal, es ist selten, aber es kommt vor, wünschte ich, ich würde meine Kaventsmänner von Pflegehunden auch hochheben können, um meine Ruhe zu haben. 😉

6 Kommentare zu “Hochheben = Verhätscheln?

  1. Danke aus ganzem Herzen und aus eigener, voller Überzeugung heraus, für diesen Artikel!
    Genau so erlebe ich das immer wieder.
    Ich hab meine 20kg Hündin schon auf den Arm genommen als ihre unkontrolliert freilaufende Erzfeindin sich wieder einmal auf sie stürzen wollte. Die zwei würden bis aufs letzte kämpfen, nachdem die andere Hündin meine hinterrücks an der Leine niedergebissen hatte.
    Das kann sogar Leben retten!
    Im Gegenzug reagieren meine Hunde auf keifende auf dem Arm Hunde null. Sie wissen aus Erfahrung: Auf dem Arm-Hund bedeutet keinerlei Gefahr und Aufreger.
    Ich finde es immer wieder furchtbar egoistisch, wenn Kleinhundehalter stolz verkünden, dass sie nie ihre Hunde auf den Arm nehmen würden, damit sie einfach Hund bleiben können und gleichzeitig ihren „Fußhupen“ mit aversiven Methoden das Ausdrucksverhalten „abgewöhnen“, um von anderen HH für die „taffe Erziehung“ gelobt zu werden.
    Bei mir zuhause kommen sogar sowohl mein Terrorkrümel, als auch die Hündin meiner Tochter, Schutz suchend auf meinen Schoss, wenn einer den anderen mal wieder überdreht bedrängen würde und ich es verpasst habe, rechtzeitig Anleitung zu geben, oder wenn ein verängstigender Aussenreiz auf sie wirkt. Beides kaum sozialisierte Hunde, mit massiven Defiziten.
    Ich sehe es als großen Vertrauensbeweis, dass sie Schutz suchen. Sobald sie den bekommen haben, werden sie ruhig. Da wird nicht von oben nach unten gekeift, sondern entspannt, weil sie wissen, dass sie bei mir sicher sind.
    Wären es große Hunde, die nicht auf den Schoss können, würde ich sie konsequent abschirmen und den anderen freundlich um Abstand bitten, also erlerntes Alternativverhalten abfragen.. Klappt hier nämlich immer mit freundlicher Ansprache, ohne „streng“ werden zu müssen.
    Wann begreifen manche Leute, dass WIR für den Schutz unserer Hunde verantwortlich sind – und uns nicht zu wundern brauchen, dass sie sich selbst zu schützen versuchen, wenn wir ihnen nicht gerecht werden.
    Auf den Arm ist eine sehr gute Möglichkeit, situativ den Schutz zu geben, den die Kleinen brauchen.
    Manche haben aber dann Angst, selbst gebissen zu werden…………….also zu feige, um dem eigenen Kleinhund Schutz zu gewähren?

  2. Meine Dackel früher brachte ich des öfteren in Sicherheit vor attackierenden Schäferhunden und ähnlich, indem ich sie auf den Arm nahm.
    In einem Fall mit einem meiner Jack-Russell-Terrier gelang mir das leider nicht schnell genug und der unvermittelt heranstürmende Schäferhund, der ohne Provokation angriff, erwischte meinen Hund ziemlich übel.
    Bei meinen beiden heute, auch kleine Hunde, versuche ich es meist, indem ich den anderen Hunden deutlich zeige, dass ich auch noch da bin. Ich stelle mich grundsätzlich vor meine Hunde. Wenn es sein muss bekommt ein angreifender Hund schon mal eine Breitseite mit dem Fuß – dies aber immer so, dass ich den anderen Hund nicht verletze. Das in Kombination mit dem wilden Gehabe meiner beiden reicht meist, um Krawallbürsten auf Distanz zu halten. Den Fall eines angreifenden Schäferhundes hatten wir bisher zum Glück nicht mehr.
    Floppy meinen sehr unsicheren Fackelmischling nehme ich schon mal hoch, wenn es sehr eng wird und ich nicht ausweichen kann. Wenn es mir gelingt, ihn am Blickkontakt zu hindern, bleibt es ruhig und der andere Hund wird nicht noch zusätzlich aufgestachelt.
    Grundsätzlich habe ich, das zeigen die Beispiele, keinerlei Probleme, meine Hunde hochzunehmen. Es hängt einfach von der Situation ab. Manchmal ist es sinnvoll und notwendig.

    • Blocken ist natürliche ine weitere Möglichkeit. Für meinen Fall passt sie nicht. Mein souveräner Rüde kommt mit Tutnixen gut aus. Er verweist sie in die Schranken, wenn nötig, ohne keifend zu werden. Alleine seine Präsenz reicht aus, auch als eher kleinerer Hund.

      Bei Akuma kann ich nicht blocken – ich könnte schon, aber er ist ein Vertreiber, hat es gelernt, mit viel Aggression andere Hund ezu vertreiben (e rhat sie anfänglich sogar richtig zu verfolgen versucht), wenn ich blocke, nimmt er mich zum Vorbild und macht es nach. Deshalb bin ich zu einer konsequenten Rückzugsstrategie gekommen, die seinem Naturell besser entgegenwirkt.

      Da snimt danna uch meist den Wind aus den Segeln, was den anrasenden Trampel anbelangt. Meine Hunde sind so gut wie nie angegriffen wordn, bisher, was wahrscheinlich an der rassetypischen Ausstrahlung und klaren Körpersprache liegt. Oder es war Glück?

  3. Damit habe ich mit meinem Chihuahua auch schon viele Erfahrungen gesammelt. Anfangs war ich auch der Meinung, dass ein kleiner Hund als vollwertiger Hund behandelt und auf dem Boden gelassen werden muss (außer in Menschenmengen…da ist es doch nur logisch, dass ich meinen Hund aufhebe, einfach damit schon mal niemand auf ihn drauf steigt!). Was ich früher ignorierte, nämlich dass mein Hund mich sogar bat ihn hochzuheben, weil er als kleiner Chihuahuakrümmel Angst vor den großen Hunden hatte die ihn mit ihrer Nase hochhoben, führte dann zu einem Vertrauensverlust, sodass er nicht mehr zu mir kam, wenn er Angst hatte, sondern anfing, alleine Richtung nach Hause zu rennen und nicht mehr darauf höre, wenn ich ihn zu mir rief. Daraus musste ich lernen..
    Einmal hat ein Tut-nix-Hund (ein Labrador haha) ihn auch Vollgas überrannt…oh Gott. Sah das schrecklich aus, zum Glück ist nichts passiert. Warum sollte ich ihn da bitte nicht hochheben?! Wenn der Hund so schnell und so knapp an mir vorbei düst, dass es für meinen kleinen Hund gefährlicher wäre wenn ich mich davor stelle, als wenn ich ihn einfach schnell hochhebe..

    Mit einem Chihuahua muss man eh ziemlich bald lernen, über die dummen Klein-Hund-Kommentare hinweg zu schauen. Oder Dumme-Sprüche-Bingo spielen, wenn’s einem liegt! 😉

    Ab und zu, aber ich glaube, dass liegt daran weil er manchmal noch zu erregt ist, wenn er andere Hunde sieht, fängt er erst am Arm dann so richtig zu keifen an.. -ich glaube, da interveniere ich zu spät/bringt eh nichts wirklich etwas, als die Situation schnell zu verlassen.

    • Ich denke sogar, wie in meinem Eintrag beschrieben, dass es einfach die Erregung ist. Manchmal braucht de rHund es auch zum Kompensieren und Ausdrücken seiner Angst. Aber das ist alleine deine Angelegenheit und gibt anderen nicht das Recht, dir deine Handlungsweise schlehctzureden.

      Danke für die offenen und ehrlichen Worte!
      Besonders für den Erfahrungsbericht, dass dein Hund anfing, Vertrauen zu verlieren!

  4. Danke für den Beitrag!
    Ich bin ja doch leicht verunsichert, wenn ich vermehrt Blicke anderer Hundehalter ernte und da bin ich gleich wieder bestärkt, wenn ich dann deinen Blog lese.

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